Wann beginnt das Risiko von Depressionen und Suizid in der Veterinärmedizin? Während des Grundstudiums oder in den ersten fünf Jahren des Berufslebens? Jüngste Studien zeigen, dass die Universitätsjahre der Beginn von Burnout und Depression bei Tiermedizinstudent:innen sein können.
Akademischer Stress kann absolut jede Student:in treffen. Medizinische Berufe haben jedoch die zweifelhafte Ehre, die stressigsten zu sein.
Im August 2022 wurden die Ergebnisse einer Umfrage unter Tiermedizinstudent:innen in Deutschland veröffentlicht. 45,9 % waren depressiv, fast 20 % hatten erwogen, ihrem Leben ein Ende zu setzen und bei 24 % bestand ein hohes Risiko, dies zu tun. Diese Studie hat gezeigt, dass Depressionen und Suizidgefahr bei Tiermedizinstudent:innen ein Problem sind, das bereits während der Studienzeit beginnt.
Eine im Jahr 2021 veröffentlichte Studie der Murray State University, KY, USA, stellte diese wichtigen Fragen: „Leiden Veterinärmedizinstudent:innen unter demselben erhöhten Selbstmordrisiko wie derzeit praktizierende Tierärzt:innen?“ und „Gibt es bestimmte, ausbildungsbezogene Stressfaktoren, die dazu beitragen?“.
In der Studie wurden zunächst die Faktoren untersucht, die das Selbstmordrisiko bei Tiermediziner:innen erhöhen, um herauszufinden, ob Depressionen bei Student:innen dieselben Ursachen haben.
Faktoren, die das Suizidrisiko bei Tierärzt:innen erhöhen
Wie Christine Yu Moutier beim Runden Tisch zur Suizidprävention, der 2021 von der AVMA veranstaltet wurde, feststellte und wie wir in dem Artikel “ Selbstmord in der Tiermedizin: Realität und Prävention ” berichteten, ist die Suizidrate in der Tierärzteschaft nicht höher als in anderen Berufen. Dennoch sind die Raten von Depressionen, Selbstmordgedanken und Todesfällen durch Suizid höher als in der übrigen Bevölkerung.
Was ist die Ursache für dieses Risiko?
Frühere psychische Erkrankungen: Tierärzt:innen mit psychischen Vorerkrankungen sind wahrscheinlich nicht in der Lage, mit den Stresssituationen des Berufs umzugehen und haben ein erhöhtes Risiko, psychische Probleme, Depressionen und Selbstmordgedanken zu entwickeln.
Stressfaktoren im Beruf: Der Beruf der Tierärzt:in ist im Alltag mit einem hohen Maß an Stress verbunden, der u. a. durch lange Arbeitszeiten, Konflikte mit Kunden, dem häufigen Umgang mit dem Tod und seinen Folgen, Compassion Fatigue und finanziellen Problemen verursacht wird.
In den durchgeführten Umfragen nannten die Inhaber von Tierarztpraxen die zusätzliche Verantwortung der Geschäftsführung und den Wettbewerb als zwei der belastendsten Faktoren. Tierärzt:innen ohne eigene Praxis berichteten häufiger über berufliche Fehler, unklare Definition ihrer Kompetenzen und mangelnde Beteiligung an Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen.
Burnout-Syndrom am Arbeitsplatz. „Man sagt, dass das Burnout-Syndrom auf einer übermäßigen Unzufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Arbeit und den Vorteilen oder deren Fehlen beruht.“ so D.N.Arnold in der Studie der Murray University. Diese Art von Burnout hat im Wesentlichen zwei Hauptfaktoren: die langen Arbeitszeiten und die geringe Wertschätzung der geleisteten Arbeit durch einige Kunden.
Stigmatisierung der Inanspruchnahme psychologischer Hilfe. Das Stigma gegenüber psychologischer Unterstützung könnte der Grund dafür sein, dass Tierärzt:innen zögern, um Hilfe zu bitten und schließlich in Suizidgedanken verfallen.
Stressfaktoren im Studium:
Aufgrund dieser Erkenntnisse konzentrieren sich Studien darauf, ob Tiermedizinstudent:innen ebenfalls gefährdet sind und, wenn ja, was die Ursache ist. Die Ergebnisse waren alarmierend. Fast 21 % der von der Universität von Murray, Kentucky, befragten Studierenden gaben an, Suizidgedanken gehabt zu haben, und 6,2 % hatten einen Suizidversuch unternommen. 27 % der Studenten hatten zeitweise Depressionen. Am besorgniserregendsten ist, dass nur 35 % von ihnen in Behandlung waren oder eine Therapie in Anspruch genommen hatten.
Die Antworten auf die Faktoren, die den Studiernden am meisten Stress bereiten, waren:
- Arbeitsbelastung und Prüfungen: 36,4 %
- Impostor-Syndrom: 24,8 %
- Studienschulden (USA): 14,7 %
- Druck, gute Noten zu erzielen: 13,2 %
- Schwierigkeiten des Online-Lernens während der COVID-19-Pandemie: 10,1 %
- Das Gefühl, mit den Kommilitonen mithalten zu müssen: 6,2 %
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Veterinärstudium und die damit verbundenen Stressfaktoren negative Auswirkungen auf die Studierenden haben. Die Rate der Selbstmordgedanken steigt mit zunehmender Studienleistung. Bezeichnenderweise liegt sie bei den Studienanfängern bei nur 6,2 % und steigt im vierten Studienjahr auf 47 %.
Diese Prozentsätze spiegeln sich in Studien aus dem Vereinigten Königreich, Belgien, Norwegen, Australien und Deutschland wider.
Hohe akademische Anforderungen und Stress haben erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Tiermedizinstudiernden.
Die hohen Anforderungen der Studiengänge und der akademische Stress haben daher erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Studenten. Die Kriterien für die Zulassung zu den veterinärmedizinischen Fakultäten basieren auf den Noten. Ein großer Teil der Studienplätze ist für diejenigen mit den besten Durchschnittsnoten reserviert, was zu einer Gruppe von Studierenden führt, die meist sehr intelligent und begabt sind.
Studienanfänger sind von ebenso leistungsfähigen und konkurrenzfähigen Kommilitonen umgeben. Infolgedessen nimmt die Rivalität unter den Studierenden zu und die Zusammenarbeit ab. Dies kann zu dem Gefühl führen, nicht hart genug zu arbeiten, der Stress über die Noten nimmt zu und die Studierenden geben vielleicht sogar ihr soziales Leben auf, um die unterrichtsfreie Zeit dem Studium zu widmen.
Das Studium der Veterinärmedizin ist auch mit einer hohen Arbeitsbelastung verbunden. Wir haben festgestellt, dass Arbeitsüberlastung und das Impostor-Syndrom die Hauptursachen für Stress bei den Studierenden sind.
Menschen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, zweifeln an ihrer Fähigkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln und glauben, dass sie die erzielten Erfolge nicht verdient haben. Wenn Sie mehr über dieses Syndrom erfahren möchten, lesen Sie bitte den Artikel Impostor-Syndrom bei frischgebackenen Tierärzt:innen: Was es ist und wie man es überwindet. Vielleicht interessiert Sie auch Das Impostor-Syndrom bei neuen Absolventen der Veterinärmedizin: Was ist das und wie kann man es überwinden?
Die Bedeutung der Unterstützung:
Wenn diese Gefühle chronisch werden, können sie das Gleichgewicht zwischen Privatleben und Studium beeinträchtigen. Dieses Ungleichgewicht führt zu sozialer Isolation, Stress, Ängsten und Depressionen.
Bezeichnenderweise waren laut der US-Studie Studierende, die eine stabile Beziehung und/oder Bezugsgruppe hatten, weniger häufig von Depressionen und Selbstmordgedanken betroffen.
Viele Veterinäruniversitäten in Europa haben bereits Beratungsprogramme für Studierende eingeführt, um ihnen bei persönlichen oder fachlichen Problemen zu helfen.
- Psychologische Beratung – Technische Universität München
- Psychologische Betreuung – University of California Education Abroad Programme
- Gesundheit und Wohlbefinden – Sapienza Universität von Rom
- Behinderungen und psychologische Beratung – Universität Warschau
- – Psychologische Beratung – Universität Zürich
- Universität Bern.
Wenn Sie Informationen über andere Länder in Europa benötigen, finden Sie diese in der European Education Area.
Die Universitäten sollten sich um flexible Angebote für diese Dienste bemühen und die Verfügbarkeit der Studierenden berücksichtigen. Einige der amerikanischen Studierenden, die im Rahmen der Studie an der Murray University befragt wurden, beklagten sich darüber, dass die Termine der Psycholog:innen sowie der Berater:innen an ihren Universitäten mit den Unterrichtszeiten zusammenfielen und die wenigen verfügbaren Stunden überbucht und unterbesetzt waren. Diese Umstände machten es schwierig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie am dringendsten benötigt wurde.
Wir von HappyVetProject empfehlen, es so einfach wie möglich zu machen, dass diese Dienste jederzeit und unter allen Umständen verfügbar sind.
Suizidprävention-Hotlines:
Wenn Sie glauben, dass eine Kolleg:in oder jemand in Ihrer Nähe suizidgefährdet ist, geben Ihnen die folgenden Suizidpräventionszentren Anleitungen, wie Sie am besten mit ihnen sprechen können.
Italien:
- 112 Notrufe
- Samaritans – ONLUS (http://www.samaritansonlus.org) ist täglich von 13:00 bis 22:00 Uhr unter der Nummer 06 77208977 erreichbar.
- Telefono Amico (http://www.telefonoamico.it) bietet täglich von 10:00 bis 24:00 Uhr Dienstleistungen an, erreichbar unter 02 2327 2327.
Deutschland:
- 112 Notrufe
- Telefonseelsorge – Hotline: 0800 1110 111 Hotline: 0800 1110 222 (kostenlos)
Polen:
- 112 Notrufe
- Olsztynski Telefon Zaufania ‚Anonimowy Przyjaciel 89 19288 oder 89 527 00 00.
Spanien:
- 112 Notrufe
- Suizid-Krisenhotline: Rufnummer 024. Rund um die Uhr verfügbar und kostenlos.
- Teléfono de la Esperanza (http://www.telefonodelaesperanza.org) ist rund um die Uhr, 7 Tage die Woche erreichbar und ermöglicht Anrufern, über Trauma und Suizid bis hin zu Beziehungsproblemen zu besprechen. Sie sind unter der Nummer 717 003 717 erreichbar.
Schweiz:
- 144 Notrufe
- Die dargebotene Hand – 143 (Deutsch)
- PARSPAS (Français). Hotline: +41 (0) 27 321 21 21 – Website: parspas.ch, 24-Stunden-Service.
Referenzen:
- Arnold, Deanna Nicole: Suizidrisiko und schulbezogene Stressfaktoren bei Tiermedizinstudenten. Murray State University. 23. April 2021
- Schunter N, Glaesmer H, Lucht L, Bahramsoltani M (2022) Depression, Suizidgedanken und Suizidrisiko bei deutschen Tiermedizinstudenten im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung. PLoS ONE 17(8): e0270912.