Die Suizidrate unter Tierärzt:innen ist höher als in der Allgemeinbevölkerung, aber nicht alarmierender als in anderen Berufszweigen. Die Prävention sollte sowohl von Unternehmen als auch Kolleg:innen ausgehen. Wir erklären die Warnzeichen und was das Unternehmen tun kann, um den Ernstfall zu verhindern.
„Suizid ist nicht die unausweichliche Folge von Schmerzen oder einer Lebenskrise.“ Diese Worte von Jean Brandt, PhD, AVMA’s Direktorin für Wellness, Diversität und Integrationsinitiativen, dienen dazu, ein sensibles Thema einzuführen, das wir bei HappyVetProject noch nicht diskutiert haben – obwohl es eine der treibenden Motivationen für die Schaffung dieser Plattform ist: Suizid in den veterinären Berufen.
Sind die hohen Suizidraten unter Tierärzt:innen korrekt?
Die Zahlen variieren, je nachdem, welchen Bericht Sie lesen. In der Studie „Suicides and deaths of undetermined intent among veterinary professionals from 2003 through 2014“ kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Tierärzt:innen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sowohl in den USA als auch im Ausland ein höheres Suizidrisiko haben.
Bei einer von der AVMA im Jahr 2021 veranstalteten Konferenz zur Suizidprävention erklärte Christine Yu Moutier, MD, medizinische Direktorin der AFSP, der größten Anti-Suizid-Organisation in den USA, dass diese Behauptungen nicht zutreffen.
Die Suizidrate unter Tierärzt:innen ist höher als in der übrigen Bevölkerung, aber sie liegt auf Platz 15 hinter anderen Branchen.
Es stimmt zwar, dass Tierärzt:innen höhere Suizidraten als die Allgemeinbevölkerung haben, aber es gibt auch andere Berufsgruppen mit noch höheren Raten. Laut einem Bericht der US Centers for Disease Control and Prevention aus dem Jahr 2020 liegt der Veterinärsektor sogar nur auf Platz 15.
Faktoren, die bei Tierärzt:innen zu Suizid führen können
Mitgefühlsermüdung, Burnout-Syndrom, lange Arbeitszeiten (oft allein), die Erwartungen der Kund:innen, der leichte Zugang zu Euthanasieprodukten und die häufige und aktive Auseinandersetzung mit dem Tod als Mittel zur Erlösung von Leiden – dies alles sind Faktoren, die den Veterinärsektor anfälliger für Suizidgedanken machen als andere Bereiche des Gesundheitssektors.
Chronischer Stress, Mitgefühlsermüdung oder Burnout können dazu führen, dass Tierärzt:innen einen Punkt erreichen, an dem es kein Zurück mehr gibt.
Suizid hat keine alleinige Ursache, auch wenn es in manchen Fällen den Anschein hat, dass er durch eine schlechte Bewertung in den sozialen Medien oder einen Streit mit Kund:innen ausgelöst wurde. Es gibt noch weitere Faktoren die vorliegen müssen, damit eine Person ernsthaft in Erwägung zieht, sich das Leben zu nehmen.
Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus, die Unfähigkeit, Fehler zu akzeptieren, ein übertriebenes Verantwortungsbewusstsein, Schwierigkeiten, sich Zeit für sich selbst zu nehmen oder um Hilfe zu bitten, sind häufig mit beruflichen Risikofaktoren verbunden.
Suizidprävention im Veterinärsektor: Was kann das Unternehmen tun?
An der Suizidprävention sind alle beteiligt, von den Kolleg:innen bis zur Geschäftsleitung. Schaffen Sie ein sicheres und unterstützendes Umfeld. Erinnern Sie die Menschen daran, dass sie gemeinsam stärker sind, dass sie ohne Tabus miteinander reden können. Aber auch daran, dass mentale Gesundheit ein echtes Bedürfnis ist und dass es für die Menschen, die sie brauchen, Ressourcen gibt. Diese Ressourcen sollte das Unternehmen bereitstellen.
Der Arbeitgeber muss ein Umfeld schaffen, in dem über mentale Gesundheit gesprochen werden kann und in dem sie auch geschützt wird.
Zu den bewährten Praktiken zur Vorbeugung von Suizid unter Tierärzt:innen auf Unternehmensebene gehören:
- Persönliche und finanzielle Unterstützung
- die Einführung angemessener Arbeitszeiten
- ein schützendes Umfeld mit strenger Kontrolle des Einsatzes von tödlichen Medikamenten
- Erleichterung des Zugangs zur Unterstützung der mentalen Gesundheit, einschließlich eines/einer Psychologen/Psychologin
- Vermittlung von Fähigkeiten zur Bewältigung und Lösung von Problemen
- Förderung von Feedback zur Identifizierung und Unterstützung gefährdeter Personen
- der Einsatz systematischer Screening-Instrumente für die mentale Gesundheit. Screening des Personals, wie zum Beispiel das Burnout-Bewertungstool und der Mitgefühlsermüdungs-Test
- die Bereitstellung von Therapiesitzungen für Tierärzt:innen und Tiermedizinische Fachangestellte, wenn es einen Fall von Suizid oder versuchtem Suizid beim Personal gegeben hat. Es ist wichtig, den Druck zu berücksichtigen, unter dem die Rezeptionist:innen stehen, da sie wahrscheinlich lange Zeit die Fragen der Kund:innen beantworten müssen.
Wie man suizidgefährdete Kolleg:innen erkennt und mit ihnen spricht
Entgegen der landläufigen Meinung bedeutet das Sprechen über Suizid nicht, dass die betreffende Person vom Tod bedroht ist oder dass das Sprechen darüber Suizidtendenzen fördert. Die Möglichkeit, über die Gefühle von Kolleg:innen zu sprechen, kann das Risiko verringern die Idee in die Tat umsetzen.
Wenn man über Suizid spricht, ermutigt man niemanden zu selbstzerstörerischem Verhalten.
Man kann nicht immer erkennen, ob ein Mitarbeitender über Suizid nachdenkt, aber die folgenden Anzeichen können Ihnen helfen, dies zu erkennen.
- Er/sie spricht über Suizid. Zum Beispiel Aussagen wie „Ich wünschte, ich wäre tot.“ oder „Ich wünschte, ich wäre nie geboren worden.“
- Diebstahl von Barbituraten oder injizierbaren Opioiden aus der Klinik.
- Der Wunsch, allein zu sein und nicht mehr an sozialen Aktivitäten teilzunehmen.
- Beschäftigung mit Tod, Sterben oder Gewalt.
- Das Gefühl der totalen Hoffnungslosigkeit oder Hilflosigkeit in einer speziellen Situation.
- Veränderungen in der normalen Routine, z. B. Veränderungen im Ess- oder Schlafverhalten.
- Risikobereitschaft oder selbstzerstörerisches Verhalten, z. B. Drogen- und Alkoholkonsum oder rücksichtsloses Fahren.
- Verschenken von Habseligkeiten oder Zurücklassen von „geordneten Dingen“, ohne dass es dafür einen logischen Grund gibt.
- Verabschiedung von Menschen, als ob es für immer wäre.
- Persönlichkeitsveränderungen oder sehr ängstliches oder aufgeregtes Verhalten. Stimmungsschwankungen. Von einem euphorischen Hoch zu einem Gefühl der Niedergeschlagenheit.
Wenn Sie glauben, dass eine Kolleg:in oder eine Ihnen nahestehende Person suizidgefährdet ist, geben Ihnen die folgenden Zentren für Suizidprävention Ratschläge, wie Sie am besten mit dieser Person sprechen können. Sie verfügen ebenfalls über kostenlose Hotlines für gefährdete Personen.
SUIZID-HOTLINES
DEUTSCHLAND
- 112 Notrufe
- Telefonseelsorge- Hotline: 0800 1110 111 Hotline: 0800 1110 222 (kostenlos)
SCHWEIZ
- Hotline HappyVet Schweiz 0800 073 535
- 144 Emergencies
- Die dargebotene Hand – 143 (Deutsch) – 143 (Deutsch)
- PARSPAS (Français)
CP 2287 – 1950 Sion 2
Contact by: – Phone
Hotline: +41 (0) 27 321 21 21
Website: parspas.ch
24 Hour service
Referenzen
- Witte, T. K., Spitzer, E. G., Edwards, N., Fowler, K. A., & Nett, R. J. (2019). Suicides and deaths of undetermined intent among veterinary professionals from 2003 through 2014, Journal of the American Veterinary Medical Association, 255(5), 595-608. Abgerufen am 13. Juni 2022 auf https://avmajournals.avma.org/view/journals/javma/255/5/javma.255.5.595.xm
- Education, communication are important strategies to prevent suicide among veterinarians. JAVMAnews. 01. Nov. 2021 https://www.avma.org/javma-news/2021-11-01/education-communication-are-important-strategies-prevent-suicide-among
- Suicide: What to do when someone is suicidal. Mayo Clinic. https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/suicide/in-depth/suicide/art-20044707